Stein im Wasser
Aalglatt. So ist es bisher verlaufen. Problemlos.
Ich habe mich schon oft gefragt ob es an mir oder an meinem Leben liegt.
Ich weiss so vieles und bemerke vor allem, dass ich keine Ahnung habe.
Habe immer darauf gewartet, dass es weh tut. Richtig weh meine ich.
Wollte fast, dass es unlösbar wird. Unerträglich.
Nicht, dass meine Tage nicht das richtige wären. Nein, sie sind es ganz bestimmt.
Die Zeit rinnt und ich mit ihr.
Ich bin der Stein im Wasser.
Liege in diesem Bergbach und lasse mich umschliessen.
Klares Wasser, nur sichtbar, weil sich das Sonnenlicht darin bricht.
Sieh zu wie es über mich fliesst und frage dich, wie ich vor Jahren ausgesehen habe.
Ich stehe mitten drin. Bewusst, fragend, suchend.
Manchmal finde ich, manchmal muss ich auch einfach akzeptieren.
Habe gelernt, dass es auf jede Frage eine Antwort gibt. Das ist nicht das Schwierige.
Welche Antwort ich für mich aussuche, darum geht es.
Habe gelernt, dass richtig und falsch von mir definiert werden.
Mal ehrlich, hast du dich nie gefragt warum alles so einfach ist?
Vielleicht wäre diese Frage die Antwort auf viele Schwierigkeiten.
Ich sah anders aus damals.
Habe mich in diesem Bach verändert.
Das Wasser und die Zeit haben mich geformt. Die Sonne sah dabei zu.
Bin glattgeschliffen und stromlinienförmig. Das Wasser und die Zeit haben ihre Arbeit getan.
Manchmal hat es geschmerzt. Tat weh.
Aber nie so wie in den Filmen.
Nie war es zu gross. Nie zu hart. Nie zu blutig. Nie.
Nicht das ich daran zweifle. Aber vielleicht ist gerade das mein schönster Zug. Meine Fragen.
Wenn ich Antworten bekomme nach denen niemand fragt. Das ist, was ich so sehr liebe.
Ich kenne meinen Bach. Kenne sein Wasser. Kenne die Sonne die sich darin bricht.
Was also kann geschehen?
Mein Kanten sind verschunden.
Meine Ecken von meinem Leben dahingerafft. Gestorben.
Die Zeit hat zugewartet. Das Wasser ist über mich geflossen.
Hat sich an meinem ganzen Körper aufgerieben. Hat mir Teile weggespült.
Nicht, dass ich etwas verloren hätte. Ich sehe heute einfach anders aus.
Ich finde du solltest dich immer fragen wie ich damals aussah.
Ich zumindest versuche es.
Kenne mein Leben. Ich liege schon so lange darin.
Ich kenne den Verlauf. Es ist für mich so gerade.
Mag sein, dass ich es mir einfach mache. Aber was bitte ist daran falsch?
Erzähl mir von deinem Schmerz. Vielleicht kann ich daran teilhaben?
Versuche mich daran festzuhalten, dass nur ich mein Bachbett kenne.
Das mein Leben nur das Meine ist.
Ich stehe am Anfang und am Ende der Reihe. Und dazwischen stehe ich noch einmal.
Ich glaube daran.
Meine Unebenheiten und Kanten sind von meinem Leben abgetragen worden.
Nein, ich nehme ihm das nicht übel. Ich habe nicht das Gefühl etwas verloren zu haben.
Habe mich einfach verändert.
Weisst du woran ich gerade denken muss?
Entwicklung ist nicht gleichbedeutend mit Fortschritt.
Obwohl ich nun schon so glatt und dem Wasser angepasst daliege, es ist nicht zu ende. Noch nicht.
Du hast mir gezeigt welche Furchen ich noch habe.
Zeigst mir meine Grate. Fliesst über meine Falten.
Egal wie glatt ich schon bin, ich bin immer noch rauh.
Solange sich das Licht auf der Oberfläche meines Lebens bricht geht es weiter.
Solange das Leben fliesst ist es nicht zuende.
Siehst du mein Wesen, wenn du am Rande meins Bachbettes sitzt?
Warum ziehst du deine Schuhe nicht aus und steigst zu mir rein, rein in mein Leben?
Lasse das kühle Nass deine Haut benetzen und vielleicht beginnst du zu verstehen.
Ich möchte mich durch deine Augen sehen. Du siehst mehr an mir als ich.
Möchte mit deiner Betrachtung verstehen, wie ich heute aussehe.
Ich liege mein ganzes Leben schon in diesem Bach.
Es umschliesst mich schon so lange.
Nie werde ich auf der Wiese stehen auf der du jetzt sitzt und zu mir runter siehst.
Ich habe keine Ahnung von dem, was da oben geschieht.
Liege einfach hier drin. In meinem Leben. Lasse mich von ihm und der Zeit formen.
Daran ist nichts Falsches.
Denkst du, du könntest mich in deine Hand nehmen?
Nur für einige Momente aus dem Wasser raus und in der Wiese liegen.
Denkst Du, du könntest das für mich tun?
Einfach so lange, bis die Sonne das Wasser weggebrannt hat.
Nur, bis meinen Risse und Holprigkeiten getrocknet und gewärmt sind.
So lange, bis meine schroffe Oberfläche, kaum zu sehen, vom Wasser befreit ist.
Würdest du das für mich tun?
Ich kenne die Dinge. Meine Dinge. Die Anderen interessieren mich nicht.
Es ist einfach und ich muss nicht mal was dafür tun.
Mein Leben ist gut. Das Wasser fliesst so einmalig weich um mich.
Erinnere mich an Hochwasser, erinnere an den Dreck der an mir vorbeigeschwommen ist.
Und manchmal habe ich auch was davon abbekommen. Manchmal.
Ich wäre gerne kurz da oben gelegen.
Hätte gerne die Sonne nicht nur gesehen sondern auch gespürt.
Würde gerne wissen wie es da draussen aussieht.
Du siehst mir zu. Bist zu mir in mein Leben gestiegen.
Aber deine Hand hast du nicht ausgestreckt um mich hochzuheben.
Hast mich liegen lassen. Da, wo ich bin, so wie ich bin.
Hast nichts an mir geändert.
Du hast mir nur gezeigt wie ich aussehe. Hast mich angesehen. Mit deinen Augen
Deine ganze Zeit. Du hast von meinem Wasser getrunken.
Du bist das wertvollste in meinem Leben.
Wirst das immer sein.
Denn ich weiss, ich könnte nicht sein was ich bin.
Ohne dich.
Das Wasser fliesst noch immer.
Liebe Dich.
Es fällt mir erst jetzt auf.
Dein Name.
für "Rock"